Dienstag, 18. März 2014

Leben mit Pädophilie: Therapien können helfen

Nichts wird in unserer Gesellschaft so sehr verachtet wie Pädophilie. Betroffene verstecken sich mit ihrer Neigung - anstatt sich Hilfe zu suchen. Dabei könnte letzteres helfen, Kindesmissbrauch vorzubeugen. Diese Erfahrung hat Max am eigenen Leib gemacht.

"Es war mir schon relativ früh irgendwie bewusst, dass ich mich von Kindern angezogen fühle. Damals bin ich davon ausgegangen, dass das bei jedem so ist, aber keiner darüber spricht". Max ist um die 30 Jahre alt und fühlt sich zu Mädchen zwischen fünf und elf Jahren hingezogen. Was er auf jeden Fall vermeiden will: Zum Kinderschänder werden.

Lange hat er nicht über sein Problem geredet und bis heute hat er sich nur wenigen Personen anvertraut. "Dahinter steht die berechtigte Furcht, dass es den allermeisten Menschen völlig egal ist, ob ich einen Missbrauch begangen habe oder nicht", sagt er.

Nationale Studien legen nahe, dass etwa ein Prozent der Männer pädophil veranlagt ist, sich also von vorpubertären Kindern angezogen fühlt. Wie sich diese als Störung der Sexualpräferenz definierte Neigung entwickelt, ist bis heute ungeklärt. Heilbar ist sie nicht: Pädophile Menschen bleiben es ihr Leben lang. Die Gesellschaft hat für sie meist nur Verachtung übrig. Das liegt mitunter daran, dass über Pädophilie fast ausschließlich in Zusammenhang mit sexuellem Kindesmissbrauch oder dem Konsum von Kinderpornografie berichtet wird.

Im Jahr 2012 wurden in der polizeilichen Kriminalstatistik 12.623 Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch erfasst. Der größte Teil der Taten ist darin gar nicht enthalten: Verschiedenen Schätzungen zufolge passieren acht- bis 20-mal so viele Übergriffe im sogenannten Dunkelfeld. Die Täter – ob im Dunkel- oder Hellfeld – sind jedoch nicht alle pädophil.

"Nicht jeder Pädophile begeht einen Missbrauch"

Gerold Scherner ist Diplom-Psychologe am Institut für Sexualwissenschaften und Sexualmedizin der Berliner Charité. Er macht immer wieder die Erfahrung, dass sexueller Kindesmissbrauch mit Pädophilie gleichgesetzt wird. Dabei ist der Unterschied wesentlich: "Nur etwa 40 bis 50 Prozent der Männer, die direkten sexuellen Missbrauch an Kindern begehen oder Kinderpornografie konsumieren, sind pädophil." Der größere Teil seien nicht-pädophile Täter, die sexuell auf Erwachsene ausgerichtet sind. Sie missbrauchen Kinder gewissermaßen als "Ersatz" für die begehrten erwachsenen Partner.


Scherner entkräftet einen weiteren Irrtum in der gesellschaftlichen Wahrnehmung: "Nicht jeder Pädophile begeht einen Missbrauch", sagt der Therapeut beim Präventionsprojekt "Kein Täter werden". Dieses richtet sich an pädophile Menschen – in nahezu 100 Prozent der Fälle handelt es sich dabei um Männer -, die mit ihrer Neigung umgehen lernen wollen, ohne sich an Kindern zu vergreifen.

Max gehörte zu den ersten Patienten des Projekts. Auch er hat es sich nicht ausgesucht, pädophil zu sein. Er will verhindern, dass er seiner Neigung Taten folgen lässt – auch wenn das mit viel Willenskraft verbunden ist, wie er zugibt. Nur wenige Menschen hat Max eingeweiht, Anonymität ist ihm extrem wichtig. Die meisten Menschen hätten das Bild verinnerlicht, dass der Trieb einen überfällt und man nichts gegen ihn ausrichten könne. "Aber das ist nicht so", zeigt seine Erfahrung. Vielmehr verspüre er eine starke Liebe für Kinder und wolle, dass es ihnen gut geht. "Würde ich die sexuelle Neigung ausleben, würde ich genau das Gegenteil bewirken und das will ich nicht."

"Man muss Versuchungen meiden"

Max ist überzeugt, dass die Therapie ihm geholfen hat. Er habe gelernt, verantwortungsvoll mit seiner sexuellen Neigung umzugehen. Vorher war das nicht der Fall. Max hatte drei konkrete Übergriffe geplant, die jedoch ohne sein Zutun vereitelt wurden. "Heute bin ich sehr froh, dass ich keine Gelegenheit hatte, das umzusetzen."


Doch Versuchungen gibt es auch heute noch. Wenn Max Kontakt mit Kindern hat, muss er sehr darauf achten, was in ihm vorgeht. Meist schafft er es, den sexuellen Part wegzuschieben. Wenn das nicht gelingt, verlässt er die Situation oder holt einen anderen Erwachsenen dazu. Einmal fragte ihn die kleine Tochter eines Bekannten, die er sehr attraktiv findet, ob er mit ihr im Swimming Pool baden wolle. "Ich habe mir gesagt, 'Nein, das ist zu viel'".
Max würde gern eigene Kinder haben. Doch ob er sich dann kontrollieren könnte, weiß er nicht. "Mir darüber klarzuwerden, liegt in der Zukunft. Es hängt ja auch von einer weiteren Person ab." Denn anders als sogenannte kernpädophile Männer, die sich ausschließlich von Kindern angezogen fühlen, könnte Max sich durchaus vorstellen, eine Beziehung zu einer erwachsenen Frau zu haben, mit der er offen über seine Pädophilie sprechen würde.

Therapien sind Prävention - eine Hexenjagd hilft niemandem

Kernpädophile Männer müssen jedoch ein Leben lang auf eine für sie erfüllende Sexualität verzichten. Nicht jeder Betroffene ist sich dieser Option bewusst oder willens, sich für sie zu entscheiden. Polizeilich erfasste Täter kommen zur allgemeinen Empörung oft mit Bewährungsstrafen davon. Eine Therapie bleibt in den meisten Fällen aus. Dadurch liegt die Rückfallquote zwischen 40 und 50 Prozent. Opferschutz sieht in den Augen der meisten Bürger anders aus. Dabei sei das Risiko, das von Pädophilen ausgeht, therapeutisch bearbeitbar, sagt Gerold Scherner von der Charité. "Die Therapie hilft dabei, Risikosituationen zu erkennen." Dadurch eröffne sich die Möglichkeit, sich entsprechend zu verhalten und Fremdgefährdung auszuschließen.

weiter lesen: http://www.gmx.net/themen/gesundheit/psychologie/58arw8q-leben-paedophilie-therapien-helfen#.A1000146

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Auf Seiten des Opferschutzes sieht man das ähnlich. Simone Bauer, Fachberaterin bei Dunkelziffer e.V., findet es wichtig, dass es Therapieangebote gibt, denn die Belange pädophiler Männer müssten ernstgenommen werden. "Wir sind gegen jede Form von Hexenjagd - das bringt nichts, am wenigsten für die Kinder."
Jedoch: "Nur ein Teil der potenziellen Missbrauchstäter fühlt sich von solchen Angeboten angesprochen", sagt Bauer. Prävention müsse weiter gehen. Auch Eltern und soziale Einrichtungen sind gefragt: "Sie müssen dafür eintreten, dass sexueller Missbrauch verboten ist, darüber sprechen und Hilfe anbieten."

"Ich habe gelernt, mich selbst mit dieser Neigung zu akzeptieren"

Oft sind es die Therapeuten von "Kein Täter werden", denen sich Pädophile erstmals anvertrauen. Die Plätze sind begehrt, von einem bundesweit flächendeckenden Angebot ist man mit mittlerweile acht Standorten immer noch weit entfernt. Betroffene fahren mitunter Hunderte Kilometer, um einmal in der Woche an den Therapiestunden teilnehmen zu können.
Die Erfahrungen außerhalb des Netzwerkes sind oft bitter. Gerold Scherner hat die Erfahrung gemacht, dass etwa die Hälfte der Patienten zuvor versucht hatte, einen Therapieplatz zu finden. "Häufig konnten sie dort nicht über die Dinge sprechen, die sie bewegen. Im schlimmsten Fall wurden sie einfach abgewiesen." Auch Max hatte sich vor der Therapie an der Charité an einen Psychologen gewandt, dort aber die gleichen demütigenden Erfahrungen gemacht.
Was wäre mit Max ohne Therapie geschehen? "Ich bin mir zu 90 Prozent sicher, dass ich keinen Missbrauch begangen hätte. Aber es wäre eine ziemlich traurige Zeit geworden, denn ein wichtiger Aspekt, den ich an der Charité gelernt habe, ist, mich selbst mit dieser Neigung zu akzeptieren. Das hat mir viel an Lebensqualität zurückgegeben." Jetzt tritt er mit den Internetportalen "Schicksal und Herausforderung" und "Shadows Project" dafür ein, dass ein Leben mit Pädophilie möglich ist - ohne zum Kinderschänder zu werden.

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